Kickstart: Reflections
- Konrad
- 2. Apr. 2022
- 9 Min. Lesezeit
Hosenträger angezogen und Hand aufs Herz:
Was brachte die erste Zeit in Kolumbien?

Zieht euch warm an Leute. Heute gibt es eine LKW Ladung voll mit pseudo-intelligenter Rethorik. Die grauen Zellen und diese olle Gefühlspumpe haben in den ersten Wochen so einiges geleistet. Verzeiht mir, wenn sich dabei mal so einiges wiederholt oder ungeordnet wirkt.
Wenn reife Äpfel vom Baum Fallen, ergibt das eben nicht immer ein Kunstwerk auf der Wiese darunter.
Kreative Prozesse
... für mich ein zweischneidiges Schwert. Für sie brauche ich Ruhe, Freiheit, Zwanglosigkeit. Im gewissen Sinne muss mich die Muse küssen, dass ich etwas produzieren kann. Unter Druck macht mein Kopf zu und die Kreativität sucht das Weite.
Andererseits verliert man sich schnell im Warten, im suchen nach dem richtigen Ansatz, im Perfektionismus ...
Auf der anderen Seite steht Disziplin und Durchhaltevermögen. "Einfach machen". Kontinuierlich arbeiten und einfach mal sitzen bleiben.
Dazu habe ich einmal ein Interview mit Stephen King (ca. 100 Bücher) und George R. R. Martin gesehen. Dabei fragte der berühmte Game of Thrones Autor (mit seinen wenigen 30 Büchern): "Wie schreibst du so viele Bücher so schnell? Wenn ich GUTE 6 Monate habe, schreibe ich 3 Kapitel. Du schreibst in der Zeit 3 Bücher."
"Ich habe eine Regel. Ich schreibe jeden Tag 6 Seiten."
D.h. kreative Prozesse bedeuten auch, sich mal durchzubeißen. Kopf ausschalten und machen.
Daher hatte ich schon mein ganzes Leben eine ambivalente Beziehung mit kreativen Prozessen. Sie ziehen mich an wie der Horizont das Abendrot. Aber durch den Druck der Produktivität, der Kontinuität und dem Perfektionismus konnte ich nie dran bleiben.
kreative Prozesse ...
Schreiben (Gedichte, Bloggen), Fotografieren, Design, Bilder Posten, Sprachen
! ... Berufliche Selbstfindung ... !
Perfektionismus tötet kreative Produktivität.
Und auch der berufliche Weg, der berufliche Anfang ist ein kreativer Prozess.
Nicht warten, bis man die perfekte Idee, alles durchdacht hat. Wartet man so lange, bis einem der perfekte Anfang, Motiv, Idee zugeflogen kommt, wartet man bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag.
Erst einmal anfangen!
Die besten Ideen kommen im Prozess, auf dem Weg. Vielleicht verläufst du dich mal, zweimal, dreimal. Aber so wirst du schließlich immer weiter kommen, mehr lernen, als jene, die nie loslaufen.
Anschluss finden im Auslandsjahr
... Anschluss an mich selbst ...
> Fühlen
> Spanisch
> Aufbauen

Fühlen
Kein Deutschland mehr, keine Uni, Vorbereitung oder Organisation. Ich bin angekommen. Was heißt das? Ich darf mich endlich mal fallen lassen, mich von Stress und dem Funktionieren lösen. Darf das Jahr genießen. D.h.?
Nach dem Überlebensmodus zuletzt in Deutschland will und muss ich wieder ins Fühlen kommen. Es ist Schluss mit nur "Abarbeiten", ständig an Termine denken, an das, was sich ändern soll, die ganze Zeit unter Strom stehen ...
Anwesenheit ...
Leute, ich bin in Kolumbien! Ich darf und will meine Anwesenheit, meine Präsenz hier fühlen. Diese traumhafte Landschaft, die Natur, die ich nur gelegentlich wahrnehme, genieße .... Ich möchte meine Arbeit genießen, die mir zumeist großen Spaß macht und das genau das richtige für mich ist. Ich will nicht nur abarbeiten. Ich bin hier. Und das hier darf, möchte und soll ich auch fühlen. Das schulde ich mir selbst.
Körper ...
Unser Körper ist ein Spiegel des Geistes und umgekehrt. D.h.?
Anspannungen, Veränderungen, Stress - meinen Körper - fühlen. Hineinspühren was ich brauche. Beispielsweise Sport machen, wenn ich ausgelaugt und träge bin. Mir regelmäßig Zeit für mich nehmen, um zu regenerieren. Speziell wenn ich angespannt bin. Zeitiger ins Bett gehen, wenn ich müde bin.
Essen ...
Zu Beginn habe ich alles mitgenommen, aufgenommen. Ja klar. Ich war noch immer im Funktionieren und alles war neu. Alles war spannend und ich neugierig. Ständig unterwegs mit Leuten der Gastronomie und dann schmeckt auch noch alles immer lecker. Ich habe konsumiert, ohne zu reflektieren. Und mein Körper hat sich angepasst.
Aber in Deutschland ist das viel mehr bekannt:
Ständig, unkontrolliert und viel essen ist nicht gesund. Weder für den Körper noch für die Psyche. D.h.?
Wieder anfangen zu fühlen, wenn es genug ist. (Auch wenn mein geweiteter Magen evtl. noch mehr könnte.) Auch wenn man wieder etwas snacken könnte, hineinfühlen, ob ich nicht eigentlich doch noch satt bin und mein Körper noch die Zeit zum Verarbeiten braucht.
Unser Hungergefühl, die dazugehörigen Hormone und Rezeptoren sind ein sehr komplexes System. Man braucht lange, um es wieder zu regulieren. Aber es reichen schon wenige Wochen, um es kaputt zu machen. (Wie so oft im Leben)
Nachsicht ...
Unsere Gefühle, Gedanken, körperliche Empfindungen ... Unser Körper ist ein lebender Organismus. Das Leben ist in ständiger Bewegung und im Wandel. Das kann man nicht immer erklären oder gar kontrollieren. Auch wenn wir das immer gern möchten.
Aber wir können versuchen, zuzuhören und (kurzfristig) entsprechend respekt- und liebevoll Rücksicht nehmen.

Spanisch
"Deine erste und wichtigste Aufgabe hier ist zunächst, Spanisch zu lernen. Das ist wichtiger als alles andere. Und wir alle werden dir gern dabei helfen."
Kurzes Update zu den Skills ...
Den ersten Fortschritt habe ich nach knapp einer Woche bemerkt. In Woche 4 bemerkte ich, dass ich auch in Gesprächen wirklich immer mehr verstehe. Generell habe ich seit knapp 3 Wochen das bekannte Plateau erreicht. Der Lernprozess ist langsamer und tiefer. Aber ja. Es wird besser.
I.A. hängt es natürlich davon ab. Wovon? Von den Leuten: Aussprache, Vokabularium, Geschwindigkeit, Wille. Junge Leute verstehe ich meist besser als alte/ältere. Das liegt zum einen natürlich an der Art zu reden, andererseits aber auch an den verwendeten Vokabeln. Ein anderer wichtiger Punkt ist Lärm. An Straßen, in großen Gruppen oder z.B. mit Musik verstehe ich nur viel schlechter bis gar nicht. Klingt logisch. Aber in der Muttersprache bemerken wir gar nicht, wie viel Interpretations- und Entschlüsselungsarbeit unser Gehirn oft leistet. Einzig um die Worte zu verstehen.
Schließlich ist Müdigkeit für mich echt ein großer Faktor. Zum einen ermüde ich bei langem Zuhören wirklich enorm. Klar. Mein Gehirn muss ja ständig Arbeiten, um die Lücke von 30 - 50% fehlenden Informationen weg zu interpretieren. Zum anderen verstehe ich gar nichts mehr, wenn ich müde bin. Mein Gehirn will dann einfach nicht mehr. Sprechen wird dann auch echt schwer. ^^
Schlaue Erkenntnisse zum Lernprozess ...
Das Lernen einer Sprache ist wie ein jeder Erholungsprozess. Der braucht Zeit und eine Abkürzung gibt es nicht. Und diese Zeit bzw. Langsamkeit muss man sich auch eingestehen. D.h. man darf die eigenen Anforderungen nicht zu hoch stecken und sich selbst keinen Druck machen.
Den Prozess wie ein Spiel sehen. #Mindset Wenn man ca. 40% versteht, ist das gut. Man soll sich also über seine 40% freuen und sich nicht übe die 60% ärgern. Momente von Unverständnis darf man nicht als Ärgernis und Frustration sehen sondern als Herausforderung, Ansporn, Gelassenheit und vielleicht auch etwas Freude. #Ichwillmehrschaffen
Man darf sich nicht zu fein, ängstlich, schüchtern sein, Fehler zu machen, Fragen zu stellen. Jeder im Raum weiß, dass du die Sprache noch nicht kannst. Das Einzige was du machen kannst, ist Eindruck zu hinterlassen, was du schon kannst. Fragen. Notizen machen, Lernen, Zeit für Übungen nehmen (Routinen)
Sprache lernt man durch Sprechen. Da hat man in der Praxis als eine Person, die generell nicht so viel redet bzw selten initiiert, schon etwas Nachteile. Was bedeutet das? Entsprechend dem eigenen Charakter und Präferenzen aktiv Situationen und Möglichkeiten suchen, zu lernen. Wenn du z.B. introvertiert/sensibel bist, suche Situationen, um mit Leuten einzeln oder in kleinen Gruppen in ruhigen Umgebungen zu reden. Nutze Situationen dementsprechend auch aus, wenn sie sich ergeben. Lenke Gespräche aktiv in Richtungen, die dich interessieren – stelle Fragen, die dich wirklich interessieren. Etc.
Man darf nicht verkrampfen. Nein, damit meine ich keine BlackOuts. Die kann man nichts vermeiden. Ich meine das Verkrampfen auf die neue Sprache, weil sich das Gehirn ja möglichst schnell darauf konzentrieren. Das ist richtig und falsch. Ja, das Gehirn lernt eine Sprache schneller, wenn wir damit regelmäßig konfrontiert sind. Sind wir aber zu streng und blenden andere Sprachen aktiv aus, verlangsamen wir den Lernprozess. Der Kopf blockiert. Sprache ist ein fließender Prozess im Kopf. Je leichter wir zwischen verschiedenen Sprachen wechseln können, desto direkter und fließender ist der Zugriff im Gehirn. Außerdem kann man so mit Hilfe anderer Sprachen viel schneller adaptieren und Wissen übertragen.

Aufbauen
... nach emotional und stressbedingten Tiefpunkten und Überlebensmodus-Phasen …
Ich bin gerade in keinem Hoch, aber in einer Aufbauphase. Damit geht etwas Mut einher, Wagemut, Aufbrauchstimmung. Gleichzeitig bin ich auch dabei, mir nach den vergangenen Monaten die Entspanntheit wieder anzutrainieren und die innere Erdung zu suchen. Wie sieht das aus?
Das Leben hier aufbauen ...
Die Sprache, der Umgang mit den Leuten, mein Alltag.
meinen Alltag strukturieren (was in meinem Fall schwer ist), Routinen und Gewohnheiten etablieren. Herausfinden, was mir gut tut und was ich wann brauche #FühlenKapitel
fremde Menschen mit Neugier und Freude begegnen statt mit Distanz - allgemeine Anspannung ablegen und Sprachbarriere ignorieren
Gleichaltrige, Freunde aktiv suchen (auch durch Projektsituation etwas gebremst) für Gespräche, Aktivitäten, Reisen, Umarmungen (Ja. In Deutschland fehlte mir das auch sehr lange. Ca. ein Jahr vor Ausreise haben wir im Freundeskreis dann auch mal angefangen das zu etablieren. Hilft echt für das Wohlbefinden! Hier fehlt das noch.)
Mich aufbauen ...
Ausprobieren, mich kennenlernen, nachdenken.
Es ist eine Findungszeit. Cliché. Aber für mich auf jeden Fall Fakt. Abgesehen von vielen anderen Erfahrungen hier habe ich auch Zeit und Möglichkeit endlich Dinge anzufangen, auszuprobieren, die schon lang auf meiner Liste stehen. (Gitarre, HTML, Instagram, Projekte in der Heimat ....)
Möglichkeiten, Gelegenheiten nutzen und wahrnehmen. Das Reisen ist zum lernen und wachsen. Oft begegnet man Menschen, es passieren Dinge, die man nicht hat kommen sehen. D.h. man muss und darf offen sein und annehmen. Seien es Personen, die einem etwas beibringen können (Aktien), Reiseeinladungen (Armenia), Projektmöglichkeiten die man nur nebenbei aufschnappt (Internetseite), Kooperationsangebote etc
An vielen Wegen wachsen köstliche Früchte. Man muss nur die Augen nach ihnen offen halten. Gleichzeitig sich trauen und gestatten, auch zu naschen.
Im Sinne der Sprache sich aber auch die Flexibilität zu bewahren. Das Findungsjahr im Ausland muss nicht nur im Ausland stattfinden. Ich kann auch Samen in Deutschland pflanzen und diese intensiv pflegen. Und dabei wachsen jetzt schon wunderschöne Blumen.
Ankommen, Fühlen und Aufbauen verbinden ...
D.h. - Ich habe ein JAHR. Ich muss mich nicht stressen. Ich kann ein Gefühl für Zeitpunkte entwickeln. Ja ich habe einiges in der Hinterhand, einiges was schon auf der Liste steht. Aber wenn es erst 2 Wochen später wird, ist es auch nicht schlimm. Ich habe ja ein ganzes Jahr. - Sich lösen vom ständigen funktionieren, krampfhaft produktiv sein und dafür mehr in die Leichtigkeit und den Flow kommen. Die Dinge annehmen, wenn sie dran sind und immer hinein fühlen, ob sie gerade wirklich dran sind.
Manchmal öffnen sich Türen. Wir dürfen fühlt, ob sich das Eintreten richtig anfühlt und die Möglichkeiten annehmen. Dann können wir auch nachträglich nochmal reflektieren und hineinfühlen, ob es so gepasst hat oder nicht und entsprechend darauf reagieren, daraus lernen, mit Selbstliebe und Selbstverständnis. (Ohne Zwang und ohne irrationale/perfektionistische Angst) #WegdeskleinstenWiderstandes
Ein Zeitraffer ...
Wieder streben wollen. Ziele haben, viele ...! Inspirationen finden. Wieder die Leiter hochklettern, endlich wieder etwas aufbauen. Neues probieren, anfangen.
Vieles machen, zu sehr streben, zu schnell wachsen, etwas finden wollen
wieder schwach und müde werden. Wieder nicht mehr fühlen können, Nur funktionieren.
Taubheit
Wieder zur Ruhe, Langsamkeit, Stetigkeit, Gelassenheit zurück besinnen. Erholungsprozess dauert Zeit. Abwarten. Nichts erzwingen. Mit dem Fluss gehen.
Die tausend stillen Eindrücke wahrnehmen, fühlen, genießen.
Langsam ernährt sich das Eichhörnchen, aber sammelt stetig und baut sich damit hoch oben einen Palast für die Ewigkeit.

Random Gedanken
Ich bin zu viel mehr im Stande, als meine bisheriges Leben, Denken und Fühlen vermuten lässt oder ich mir bisher eingestand, mich traute.
Hinfallen und aufstehen. Ständig von neuem Anfangen, sich trauen, aufraffen, nicht lang warten. Sich nicht sinnlos durchbeisen. Aber sich auch nicht reinsteigern. Es entspannt aufnehmen und nicht bewerten.
(Sprache, Spiele, Fotografieren, Arbeit, Beziehungen, Umstände)
Ein bescheidener tag ist nur ein Verlorener Tag, wenn man nichts daraus lernt und/oder sich darüber ärgert. Denn Ärger und Selbstmitleid - das ist wirklich verlorene Zeit und Energie.
Gerade als sensitive Person legt man oft viel Wert auf die Expressionen der Mitmenschen. Oft zu viel. Man interpretiert, es belastet, beschäftigt, treibt einen um, man nimmt es persönlich. Doch meist hat es rein gar nichts mit uns zu tun. Meist sind die Leute mit sich selbst beschäftigt. Für ein entspanntes Gefühlsleben und gesunde Beziehungen ist es essentiell, sich eine gewisse Distanz, ein Bewusstsein und Erdung zu bewahren. Diesen Lern- und Reflektionsprozess kann man hier super begleiten. Nicht nur durch die Sprache, wodurch man vor Allem zu Beginn einiges nicht versteht, und in der Unwissenheit seinen Frieden finden muss. Aber auch in den kulturellen Differenzen, wodurch Handlungen oder Aussagen das ein oder andere Mal die eigenen Trigger treffen können, obwohl eigentlich mit viel Zuneigung und Anerkennung intendiert.
In der ersten Woche habe ich durch all das Neue und vor Allem die Sprachbarriere etwas bemerkt. Der wichtigste Wert für mich ist Autonomie, Eigenständigkeit. Mich bewegen, planen und reden zu können, wie ich möchte. Für mich persönlich spielen dabei kulturelle Grenzen kaum eine Rolle. Was aber dann? Für mich ist es die Sprache. Weiß ich nicht, wie etwas funktioniert, Busse z.B., kann ich einfach fragen. Ist jemand anderer Meinung oder versteht etwas nicht, kann man darüber reden und sich erklären. Beherrscht man die Sprache nicht, fällt das Kartenhaus in sich zusammen und man ist abhängig wie ein kleines Kind.
Für mich ... ein schreckliches Gefühl.
Kuchen, Schokolade, Kekse. Oh mein Gott, wie sehr kann einem sowas fehlen. Zuerst ist mir der starke Bedürfnis in der dritten Woche aufgefallen. Ein brennendes Verlangen. Anscheinend haben wir in der Zeit vor Ausreise zu viel Kuchen in der WG gebacken. Woche 5 legte dann das Bedürfnis nach Süßem und Schokolade offen. Natürlich gibt es hier auch Süßigkeiten. Aber sie sind recht teuer und in den Familien eher unüblich. Gut, dass ich Schokolade als Gastgeschenk mitgebracht habe. D.h. ich weiß, dass es welche gibt, ich sie aber nicht essen darf. Perfekt oder? :D
Und mit diesen süßen Worten ...
Bis zum nächsten mal.
Bleibt gesund.
Tschüdelü.
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